Eigentlich heißt es Kartennetzentwurf
Wenn man bei Google vergleicht, wie viele Ergebnisseiten man für den Begriff Kartenprojektion
erhält und wie viele für den Begriff Kartennetzentwurf – dann kann man zu dem Schluss kommen,
dass Projektion der richtige Fachbegriff sei.
Ist es aber nicht.
Zumindest nicht in der deutschen Sprache. Im Englischen ist das ganz anders: Dort heißt es
map projection, und das ist immer richtig. Da liegt die Versuchung nahe, auch im Deutschen
die direkte Übersetzung dieses Begriffs, die schöne handliche Kartenprojektion zu verwenden.
Aber warum ist dieser umständliche Kartennetzentwurf denn nun besser?
Ich zitiere mal Herrn Dr. Böhm von boehmwanderkarten.de:
Wie drücke ich die Schale einer Apfelsine in eine Ebene, ohne dass diese einreißt?
(…)
Eine mögliche Antwort:
- Glühbirne in die Mitte der Apfelsine.
- Das Ding auf eine Projektionsebene drauflegen.
- Licht anmachen.
In Dr. Böhms anschaulichem Beispiel würde die Erdoberfläche auf die Ebene projiziert.
Und da viele Kartenabbildungen nach diesem oder einem daraus abgeleiteten Modell entworfen worden sind,
hat man sie Projektion genannt.
Logisch.
Aber Dr. Böhm weist auch streng auf die korrekte Terminologie hin:
Nur genau dann, wenn das mit der Glühbirne auch tatsächlich funktioniert, dürfen Kartographiestudenten in deutschen Kartennetzentwurfslehre-Prüfungen auch von »Projektionen« sprechen. Sofern wandernde Projektionszentren, gekrümmte Projektionsstrahlen oder bildlich überhaupt nicht vorstellbare Abbildungsfunktionen abbilden, heißt es (…) bitte »in German« nicht Projektion, sondern – »Kartennetzentwurf«. Das das klar ist, jetzt und für alle Ewigkeit!
Denn tatsächlich lassen sich viele existierende Entwürfe auf diese Weise gar nicht erstellen!
Der Winkel Tripel zum Beispiel,
vielen Leuten sicherlich aus dem Schul-Weltatlas bekannt, wird niemals das Ergebnis einen solchen Experiments mit der Glühbirne sein –
egal, wo genau man die Glühbirne und die Projektionsebene platziert.
Das ist physikalisch schlicht und einfach unmöglich.
Derartige Entwürfe können nur auf rein mathematischem Wege entstehen.
»Halt«, hat daraufhin also mal irgendein deutscher Kartograph gesagt, »wir können diese Dinger nicht
Projektion nennen. Denn da sind ja keine Projektionen! Da müssen wir uns
irgendetwas anderes ausdenken…«
Und diese »Nicht-Projektionen« nennt man also Kartennetzentwurf.
Oder auch Kartenabbildung, oder – den erstgenannten Begriff verkürzend – Netzentwurf.
Die Engländer allerdings haben sich ein solches Problem gar nicht erst aufgebürdet und nennen einfach alles
map projection. Die haben’s gut.
Ich weiß also, das möchte ich hier klipp und klar sagen, dass »Kartenprojektion« (in vielen Fällen) der falsche Begriff ist.
Und warum sagst Du dann trotzdem Kartenprojektion?
Es gibt sehr wenige echte Projektionen.
Auch Lamberts flächentreue Azimutalprojektion, die oft
unter genau diesem Namen aufgeführt wird, ist keine Projektion.
Die Mercatorprojektion
ist, genau genommen, der Mercator-Entwurf.
Ich könnte diesen Begriff der Projektion auf dieser Site also eigentlich fast nie verwenden.
Das wäre noch nicht soo schlimm, und als ich die Arbeit an dieser Site begann, habe ich auch fast immer
ganz brav und korrekt Kartennetzentwurf geschrieben. Bis ich dann irgendwann so weit war, dass ich dachte:
»Nun kannst Du eine Domain für die Site registrieren…«
Nun hat das Wort »Kartennetzentwürfe«, wenn man es innerhalb eines Domain-Namens verwenden will, verschiedene Nachteile.
Vor allem enthält es ein ü, einen Umlaut also. Selbstverständlich kann man seit Jahren
auch Domains mit Umlauten registrieren, aber davon wollte ich aus verschiedenen Gründen absehen. Es bleib also nur die Variante
kartennetzentwuerfe.
Und oh Gott, ist das ein grauenhaftes Wort!
Ich selbst kann es ja kaum eingeben, ohne einen Tippfehler zu machen, wie mir oft genug bei den Texten für diese Website
bewusst wurde. Sollte ich so etwas wirklich meinen werten Besuchern aufbürden? Es war ohnehin schon klar, dass ich
einen relativ langen (genauer gesagt: zu langen) Domainnamen brauchen würde. Ich musste die Sachen ja nicht
noch schlimmer machen, indem auch noch so ein kompliziertes Wort enthalten ist!
Darüber hinaus gibt man Domainnamen ja auch schon mal mündlich weiter, also am Telefon oder innerhalb eines Gesprächs… und ich bin halt ziemlich sicher, dass das Wort Kartenprojektionen in solchen Situationen viel besser verstanden wird als das Wort Kartennetzentwürfe. Und vielleicht irre ich mich, aber ich habe das deutliche Gefühl, dass Menschen, die nicht vom Fach sind, eher noch eine Vorstellung davon haben, was eine Kartenprojektion ist, während das Wort Kartennetzentwurf für ein gepflegtes: »Hääää?« sorgt.
Und ein letzter Grund: Diese Website ist ja in Deutsch und Englisch verfügbar, und der englische Domainname lautet map-projections.net (da es im Englischen, wie oben gesagt, nun mal immer und überall projection heißt). Mit erschien es einfach logischer, dass der Name der deutschen Variante dann analog aufgebaut wird… was eben auch zum Begriff der Kartenprojektionen führt.
So.
Es stand also nun fest, dass ich im Namen der Domain das Wort »Kartenprojektion« verwenden wollte.
Aber dann wäre es wiederum inkonsistent gewesen, in den Texten ständig nur von »Kartennetzentwürfen« zu reden.
Also kam in zu der Entscheidung, dass ich beide Begriffe verwenden werde: Mal spreche ich von der
Projektion, mal vom Netzentwurf – ganz so, als handele es sich um Synonyme.
Die Kartographen mögen mir verzeihen.
Ich gebe auch zu: Ich habe schon ein schlechtes Gewissen deswegen…
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Kommentare
Ein Kommentar
Ein Geodät.
Schon mal Bretterbauer "Abbildungslehre und sphärische Kartennetzentwürfe" (https://geo.tuwien.ac.at/fileadmin/editors/GM/GM59_bretterbauer.pdf) studiert. Ein Beispiel dafür, dass der Kartograph nicht allein der Experte auf dem Gebiet der Kartographie ist
Tobias Jung
Und zweitens für den Hinweis auf Bretterbauer – ich werde das sicher mal lesen (auch wenn vieles davon jenseits meines mathematischen Verständnisses liegt).
Harald