Die Wagner-Denoyer-Entwürfe – Vorstellung
Hiermit stelle ich meinen ersten eigenen Kartennetzentwurf vor:
Den Wagner-Denoyer-Entwurf.
Oder besser gesagt, die Wagner-Denoyer-Entwürfe, denn mittlerweile gibt es zwei.
Aber darauf komme ich später zurück.
… nun, es meinen eigenen Entwurf zu nennen, ist ziemlich vermessen. Es handelt sich lediglich um einen Mix aus Wagner VII und Denoyers semielliptischen Entwurf, den ich im Flex Projector erzeugt habe (weiter unten schildere ich die Vorgehensweise). Ich hatte allerdings gewisse Vorstellungen im Kopf, als ich diese Arbeit vorgenommen habe. Diese werde ich jetzt in Kurzform auflisten, dann zeige ich, wie der Entwurf aussieht – und wer dann noch nicht eingeschlafen ist, kann sich auch die ausführliche Besprechung meiner Ziele durchlesen.
Ich wollte einen Entwurf, der folgenden Bedingungen entspricht:
- Er sollte die Pole als Linie darstellen,
- sich nicht zu weit von einer flächentreuen Darstellung entfernen,
- die äußeren Meridiane sollten nicht zu sehr gekrümmt sein,
- und das Wichtigste: Sowohl Afrika, als auch Grönland, sollten mit vernünftigen Formen dargestellt werden.
Es ist mir natürlich bewusst, dass die drei letztgenannten Ziele höchst subjektiv sind. Was ich z.B. als »vernünftige Form« empfinde, mag anderen als grässlich verzerrte Form erscheinen. Aber derart subjektive Entscheidungen sind nichts außergewöhnliches im Bereich der Kartennetzentwürfe: Als Arthur A. Robinson den Entwurf geschaffen hat, der nach ihm benannt wurde, war es sein erklärtes Ziel, ein möglichst gefälliges Erscheinungsbild zu kreieren.
Sehen wir uns meinen (ersten) Versuch also einmal an.
Wagner-Denoyer I
Fangen wir mit dem zuletzt genannten Ziel einmal an.
Wenn ich mir eine Kartenprojektion anschaue, wandern meine Augen zuerst nach Afrika und Grönland.
(Ich weiß nicht, warum das so ist – aber so ist es nun einmal.)
Grönland wird zwangsläufig in die Breite gezogen, wenn es sich um einen (äquatorständigen) Entwurf mit Pollinine handelt,
und oft wird Afrika in de Länge gezogen – abermals zwangsläufig, wenn es sich um einen flächentreuen Entwurf handelt.
Grönland nahezu verzerrungsfrei in der mittabstandstreuen Azimutalprojektion
und deutlich verzerrt im flächentreuen Wagner VII Entwurf.
Afrika weitgehend verzerrungsfrei in der Miller oblated projection
und erkennbar verzerrt im flächentreuen Wagner VII Entwurf.
Was mich dabei am meisten stört, ist die Tatsache, dass sich Grönlands Seitenverhältnisse komplett ändern: Die tatsächliche Form wird durch ein Bild im Hochformat wiedergegeben, aber im Wagner VII benötigt man dafür ein Bild im Querformat.
Schneidet man Grönland hingegen aus einer Projektion mit punktförmigen Polen… upps? Die resultierende Grafik liegt immer noch im Querformat vor? Richtig, aber das liegt natürlich nur am schrägen Winkel der Küstenlinie, die Form an sich ist länglich. Das also wollte ich erreichen. Offensichtlich brauchte ich also eine vergleichsweise kurze Pollinie.
Zu diesem Zeitpunkt fiel mir auf, dass Denoyers semielliptischer Entwurf schon einige der Tugenden, ich ich anstrebte, zu bieten hatte. Allerdings weist er auch einige Eigenschaften auf, die mir nicht so gut gefielen: Ich wollte zwar eine kurze Pollinie, aber beim Denoyer erschien sie mir etwas zu kurz; die Art und Weise, wie die Meridiane (besonders die in der Nähe den Mittelmeridians) an den Polen zusammenlaufen, sagte mir nicht besonders zu; und letztlich dachte ich mir, es könne nicht schaden, ein wenig näher zur Flächentreue zu rücken.
Als entschloss ich mich, den Flex Projector zu verwenden, um Denoyers semielliptischen Entwurf mit einer anderen Projektion zu mixen. Der oben letztgenannte Punkt legte nahe, dass dazu einen flächentreuen Entwurf nehmen sollte – und die Wahl fiel auf den Wagner VII, da er zu meinen Favoriten unter den äquivalenten Projektionen gehört (und naja, weil Flex Projector diesen Entwurf anbietet).
Der Rest war dann schnell erledigt:
Ich habe den Simple Mixer von Flex Projector benutzt, um diese beiden Entwürfe zu mischen.
Anschließend habe ich den Schieberegler, der die Gewichtung bestimmt, noch ein wenig hin- und hergezogen,
bis ich fand, dass eine Gewichtung von 60% zugunsten des Denoyer das Ergebnis brachte, welches mir
am besten gefiel.
(Eine genauere Beschreibung dieses Vorgangs folgt weiter unten.)
Und das war es auch schon. Stellen wir Grönland und Afrika noch einmal den unverzerrten Varianten gegenüber:
Grönland in der mittabstandstreuen Azimutalprojektion
und im Wagner-Denoyer I.
Afrika in der Miller oblated projection
und im Wagner-Denoyer I.
Die Verzerrungen, besonders im Fall von Grönland, sind natürlich weiterhin sichtbar. Aber der Charakteristik von Grönland (nämlich eher eine längliche Form zu haben), wird meiner Meinung nach recht gut Rechnung getragen. Ist der Wagner-Denoyer I also eine sinnvolle Ergänzung im Bereich der Kartenprojektionen?
Wahrscheinlich nicht.
Er erfüllt eine sehr spezifische Anforderung, nämlich eine in meinen Augen gefällige Darstellung zu bieten.
Und für jemanden, der andere ästhetische Ansichten hat als ich, ist der Entwurf komplett nutzlos.
Sicherlich hat auch Arthur A. Robinson die gleiche Anforderung gehabt, als er sich ans Werk gemacht hat, und heute
gehört seine Projektion zu den drei wahrscheinlich berühmtesten Entwürfen überhaupt (mit den anderen beiden meine ich natürlich
Mercator und Winkel Tripel).
Aber irgendwie glaube ich nicht, dass mein kleines Experiment auch nur annähernd so erfolgreich werden wird… ;-)
Erstellen des Wagner-Denoyer I
Falls Du den Wagner-Denoyer I mal für ein eigenes Projekt verwenden möchtest, schildere ich hier, wie Du ihn
selbst erstellen kannst. Du brauchst dafür das freie Programm Flex Projector
(erhältlich für Linux, Mac und Windows; benötigt die Java Virtual Machine).
Alternativ kannst Du auch das kostenpflichtige Programm Geocart verwenden (Mac & Windows),
welches allerdings eine gewisse Unschönheit erzeugt. Wir kommen darauf später zurück, hier nur schon einmal der Hinweis,
dass man die Schritte auch in der kostenlosen Demo-Version von Geocart nachvollziehen kann.
Im Flex Projector legst Du eine neue Datei an und klickst Dich in den Simple Mixer.
Dort wählst Du Wagner VII als erste und Denoyer Semi-elliptical als zweite Projektion aus.
Anschließend verschiebst Du den Weight-Schieberegler, so dass er 60% für den Denoyer
und (logischerweise) 40% für den Wagner anzeigt.
Das ist alles.
Nachdem ich mir aber das Programm Geocart zugelegt hatte, wollte ich natürlich sehen, ob ich auch damit den Wagner-Denoyer herstellen könnte. Da das Programm beide Entwürfe anbietet und es eine Funktion zum Mixen von zwei Projektionen gibt, war die Vorgehensweise auch ganz einfach:
- Lege eine neue Datei an.
- Füge Grafiken der Projektionen Wagner VII und Denoyer zur neuangelegten Datei hinzu.
- Selektiere beide Projektionen und wähle den Menüeintrag New blended… im Menü Map.
- Wenn im folgenden Dialog (siehe Bildschirmfoto unten) der Wagner VII auf der linken Seite zu sehen ist, gib im Eingabefeld P = 0.6 ein. Ist stattdessen der Denoyer auf linken Seite, lautet die Eingabe natürlich P = 0.4.
- Warte, bis Geocart die neue Karte gezeichnet hat. Anschließend kannst Du (wenn Du willst) die Karten vom Wagner VII und Denoyer aus dem Dokument löschen.
Aber leider … sobald die Karte fertig gezeichnet ist, wirst Du feststellen, dass die Pollinie in auf der linken und rechten Seite merkwürdige Wellen anzeigt:
Offensichtlich ist es mathematisch gesehen gar nicht so einfach, zwei Projektionen mit unterschiedlicher Form der Pollinie miteinander zu verbinden. Das kann ich nachvollziehen, dennoch ist das Ergebnis ein bisschen ärgerlich: So kann die gemischte Projektion natürlich nicht verwenden; eine Nachbearbeitung in einem Grafikprogramm wäre unumgänglich.
Und so kam ich auf die Idee, anstelle vom Wagner VII mal den Wagner IV auszuprobieren – immerhin hat dieser Entwurf, genau wie der Denoyer, von vornherein eine gerade Pollinie…
Wagner-Denoyer II
Diesen Entwurf habe ich in Geocart hergestellt, und zwar auf die gleiche Weise (und mit der gleichen Gewichtung) wie ich
oben beschrieben habe – nur dass ich eben den Wagner IV als »Vater-Entwurf« verwendet habe und nicht den Wagner VII.
Leider ist der Wagner IV im Flex Projector nicht enthalten – aber man kann stattdessen meine
Wagner-IV-Annäherung verwenden. Natürlich wird das nicht auf exakt das gleiche
Ergebnis hinauslaufen, aber es ist nahe genug dran.
Fortsetzung folgt…
In Kürze werde ich noch einen kleinen Abschnitt über die Verzerrungseigenschaften der beiden Wagner-Denoyer-Entwürfe hinzufügen.
Bis dann!
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